Entwurf zum Landesfinanzausgleichgesetz: Meinung des Ortsbürgermeisters

Entwurf zum Landesfinanzausgleichgesetz: Meinung des Ortsbürgermeisters

Landesfinanzausgleich wird Bürger deutlich belasten. Wo bleibt die Erklärung aus Mainz?

Mit dem Landesfinanzausgleichsgesetz übernimmt das Land ein gescheitertes System aus Thüringen und Hessen. Anstatt aus diesen Fehlern zu lernen, macht das Land es sich mangels Kompetenz und getreu seinem Motto „einfach“. Das Gesetz selbst ist allerdings nicht nur kompliziert (sogar Finanzexperten tun sich schwer) und gekennzeichnet durch teilweise willkürliche Faktoren, sondern verursacht durch die Hebesatzsprünge eine Bürgerbelastung, die es in dieser Form noch nicht gab. Sollten Kommunen sich weigern, derartige Beschlüsse zu fassen, erhalten sie keine Zuschüsse mehr und der Haushalt wird nicht genehmigt. Das Dorfleben käme mehr oder weniger zum Stillstand.

Mit Verwunderung und Unverständnis verzeichne ich in dieser folgenschwereren Angelegenheit seitens der Landesregierung keinerlei Informationspolitik für die betroffene Bürgerschaft. In der Corona-Hochphase wurden keine Kosten gescheut, um Einschränkungen in der Presse zu erklären. Warum erfolgt dies hier nicht? Schließlich geht es um viel Geld, welches vom Volk neben weiteren Belastungen (Inflation, Energiekosten, ggf. Wiederkehrende Beiträge etc.) aufgebracht werden soll.

Stattdessen fühlt sich die Kreis-SPD bemüßigt in der Rhein-Zeitung endlich für Aufklärung und Interpretation im Sinne des Kabinetts Dreyer zu sorgen. Die Kommunen seien die „Sieger“. Beim besten Willen sehe ich in meiner Gemeinde keine Sieger, sondern Bürger, die in einer Polykrisenzeit schamlos und unverhältnismäßig zur Kasse komplimentiert werden. Erstaunlich, dass Sozialdemokraten dies lediglich als „Wermutstropfen“ abtun. Ob das ihre Wähler auch so sehen?

Das Land nimmt mit dem Gesetz eine historische Beschneidung der kommunalen Selbstverwaltung vor. Hier offenbart sich aus meiner Sicht eine Entfremdung der Landesregierung von den Gemeinden: Die politische gemeindliche Institution mag mit diesem Gesetz zwar überleben, aber die im wahrsten Wortsinne „Gemeinde“ selbst, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, sind die Gelackmeierten. Ein fragwürdiges Verständnis von „Gemeinde“, das in der Regierung vorzuherrschen scheint. Die Dankesworte an das kommunalpolitische Ehrenamt, die von Berufspolitikern höherer Instanzen regelmäßig verlautbart werden, entpuppen sich vor diesem Hintergrund bloß noch als hohle Floskeln. Frust und Verärgerung bestimmen inzwischen die örtliche Politik, der es mit den beschriebenen Rahmenbedingungen zunehmend schwerfällt, das soziale Engagement in der Bürgerschaft zu fördern. Wer weiß, ob „die da oben“ noch lange „Staat machen“ können, wenn die staatliche Basis „da unten“ nicht mehr mitmacht. 

Matthias Grohs, Ortsbürgermeister von Selbach


Liebe Selbacherinnen und Selbacher,
vorstehender Leserbrief wurde am 26.11.2022 in der Rhein-Zeitung veröffentlicht. Wie Sie wissen, verhalte ich mich auf Ebene der Ortsgemeinde politisch neutral, denn bei uns geht es um reine Sachpolitik von Bürgern für Bürger. Ich bin kein Mitglied einer Partei. Doch sehen Sie mir nach, dass ich zu diesem Landesgesetz, das gravierende Auswirkungen für uns haben wird, einmal sehr deutlich Kritik in Richtung Landesregierung üben muss.

Das Landesfinanzausgleichsgesetz wird aller Voraussicht nach zum 01.01.2023 eingeführt werden. In Selbach geht damit eine Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B um 100 Punkte einher, was eine Mehrbelastung für ein durchschnittliches Einfamilienhaus von rund 100€ jährlich ausmacht. Leider haben wir in der Angelegenheit keinen Spielraum, sondern müssen unserer Verantwortung für die Ortsgemeinde unter Beachtung der Gesetze gerecht werden. Die Gremien der Ortsgemeinde werden sich in Kürze mit dem Thema beschäftigen müssen.

Ihr und Euer
Matthias Grohs