Da Schutzengel woar dobie

Da Schutzengel woar dobie

von Maria Dietershagen (Piertersch Maria)

Anekdötchen of Platt

Die Serie „Anekdötchen of Platt“ behandelt in loser Abfolge kleine, meist humorvolle, Geschichten aus vergangener Zeit, geschrieben von Selbacher Bürgern in Selbacher Dialekt. Dialekt ist kein Zeichen mangelnder Bildung oder Rückwärtsgewandtheit, sondern er schafft Identität und ist Kulturbestandteil. Wir wollen unsere eigene Sprache nicht verlernen: Geben wir sie an unsere Kinder weiter, sprechen wir sie!

Das folgende „Erlewes“ handelt von einem Unfall mit einem Heuwagen in den 1930er Jahren und bezeugt die Erschwernisse vergangener Zeiten: Die sogenannte und heute verpönte „Kinderarbeit“ auf dem Dorf war völlig normal und auch vonnöten – zumal, wenn die Eltern körperlich beeinträchtigt waren wie in dieser Geschichte.

Maria Dietershagen hat uns viele Anekdötchen hinterlassen, die meist von ihrer Kindheit handeln. Neben Maria selbst, ist ihre Schwester Lisbeth eine Protagonistin. Viel Spaß beim Lesen auf authentischem Serlwier Platt!

Esch wull üsch en Erlewes ous jongen Johren verzärlen, dat esch bis höjt als ahle Frau net vergäsen han.

Et woar en schürner heeser Summerdach, mir hatten det Höj henger da Müll. Dern Middach, bim Äsen, wur sesch dann beschwatt: „Mir nermen den Wan met, on laden en alt, dann kann enner gohn on horlen de Köh.“ Jesaht, jedohn.

Ous Vadder hatte en künstlisch Been on kunn sesch net su helfen. Der kom of den Wan, et Lisbeth an de Schroawf on esch vürn an de Deichsel. Bi Bärwels an da Eck reef esch: „Lisbeth, schroawf dern Wan rischtisch zoh“, awer der Wan dröckte no vürn.

Esch lärmte: „Dräh dern Wan zoh!“, du reef dat: „Esch kann net, de Schroawf es ousjehangen.“ – Mir blief bal det Herz stohn.

Wie en Bletz ging et mir dursch dern Kopp: „Den Vadder om Wan – du musst de Kurwe kreijen!“ En da Kurwe stonnen drei Höjser ananner jebaut: da Stausberschs Heinrich, da Rörtsches Peter on da Dörnersch Hermann. Esch hel met menger ganzen Kraft am Wan zeröck, awer bi Laien do ging et net mi. Esch moch Sätze vürn an da Stang, langst Stausberschs kom esch noch, awer vürm Rörtsches Peter do leß esch de Stang loss on moch en Satz of de Sejde.

Der Wan souste met Karacho gän den Zong on gän de Bank. Bi Dörnersch do kom er zom enhahlen. – Ous Lisbeth kom höngenöh jekrochen. Da Vadder woar schniewejß em Jesischte, esch soß vür Rörtsches of da Eer on kresch, als och noch dat Rörtsches Anna rouskom on ous den Buckel vollschannte: „Kunnt ihr net oppasen? On hatt och noch dern ahlen Vadder om Wan!“ Esch sah nex, awer esch däscht: „ojo Frau, bes doch alt fruh, dat ma net met da Stang en de Housdür renjerost sen.“

Di Männer holfen ous widder of den Wäh. Et hatte got jegangen, mir woren mem Schrecken dovonkummen. Awer mir sen net nochmol jefahrn, oohne de Schroawf ze kontroliern.

Zweiter Teil der Selbacher Dorfchronik erschienen.

Zweiter Teil der Selbacher Dorfchronik erschienen.

In der Reihe „Wissener Beiträge. Zur Geschichte und Landeskunde“ ist der zweite Teil der Selbacher Dorfchronik mit dem Titel „Selbach. Geschichte und Gegenwart, 1395 – 2010“ erschienen. Nachdem vor wenigen Jahren der erste Band veröffentlicht wurde, in dem die Jahre 1395 bis 1965 dokumentiert sind, können sich die Selbacher nun auf die Fortsetzung (Jahre 1966 bis 2010) freuen.

Berno Neuhoff, Peter Deis, Klaus Schwamborn, Caroline Leidig, Matthias Grohs (v.l.n.r.). Foto: Katharina Behner

Autor Klaus Schwamborn hat mit Hilfe der Bürgerschaft und Mitautoren ein umfassendes Werk über die dörfliche Zeitgeschichte Selbachs verfasst. Auf über 300 Seiten und vielen Bildern sind wichtige Eckdaten, schöne wie traurige Ereignisse, aber auch alltägliche heitere Geschichten chronologisch aufgeführt. So manche Leserin oder Leser wird sich in dem Buch wiederfinden und sicherlich gibt es für Jüngere das eine oder andere „Aha-Erlebnis“ beim Schmökern in dieser gelungenen Lektüre.

Kürzlich fanden sich Klaus Schwamborn, Lektor Peter Deis, Berno Neuhoff, Bürgermeister der Stadt und Verbandsgemeinde Wissen, und Selbachs Ortsbürgermeister Matthias Grohs auf dem Kapellenberg ein, um das Werk vorzustellen. Mit dabei war auch Verwaltungsmitarbeiterin Caroline Leidig, die das Projekt administrativ begleitete. Herausgeberin ist die Stadt Wissen, wobei sich die Ortsgemeinde Selbach zur Hälfte an den Kosten beteiligt.

Auf dem hinteren Kirchenplatz mit einem schönen Blick auf den alten Ortskern Selbachs bedankten sich die beiden Bürgermeister bei Herrn Schwamborn und würdigten seine akribische Arbeit. „Es ist wichtig, dass Geschichte aufgearbeitet und festgehalten wird, damit nichts in Vergessenheit gerät,“ bemerkte Berno Neuhoff und Matthias Grohs ergänzte: „Wir haben eine umfassende Chronik erhalten, die von nun an Bestandteil unseres gemeinschaftliches Erbes sein wird“.

Selbach hat sich in all den Jahren verändert – vermutlich nicht in allen Belangen zum Besseren, aber viel Gutes konnte doch über Generationen hinweg bewahrt werden. Und so manch erfrischend Neues wird derzeit für ein „Dorfleben mit Zukunft“ von den Bürgern gestaltet, darin waren sich die Anwesenden beim Pressetermin einig.

Klaus Schwamborn sagte: „Ich würde mich freuen, wenn sich Selbacher finden, die eine weitere Fortsetzung der Chronik betreiben würden.“ Berichte, Fotos und Zeitungsartikel jedenfalls archiviere er weiterhin, auf welche dann zurückgegriffen werden könne.

Zu kaufen gibt es die Chronik ab sofort zum Preis von 15,00 Euro im Friseursalon Waltraud Stausberg in der Teichwiese in Selbach, im Buchladen in der Marktstraße in Wissen sowie im Wissener Rathaus.

Wenn der Karneval in Selbach beginnt

Karneval

Heimatlied

Verfasser unbekannt

Dort, wo im Tale das Bächelein rauscht,
wo in den Zweigen klingt der Vögelein Chor,
wo man der Nachtigall im Walde lauscht,
flüstert es leise von Ohr zu Ohr:
„Wenn der Karneval in Selbach beginnt,
dann such dir geschwind ein heimisches Kind,
Buben und Mädel sind allzeit bereit
zu lachen, zu scherzen zur Karnevalszeit.“

Frohe Jugend kommt zum Stelldichein
mitten im Dorfe auf der alten Brenn,
hier trifft sich immer Groß und Klein,
flüstert, wie sollte es anders sein:
„Wenn der Karneval in Selbach beginnt,
dann…“

Die Muckeshardt mit ihren dunklen Tann`n,
die Kolertz-Hähn lädt zum Spaziergang ein,
die schöne Aussicht, die hält uns gefang`n
und überall singt dann Groß und Klein:
„Wenn der Karneval in Selbach beginnt,
dann…“

Und kommt der Herbst in unser stilles Tal,
dann fängt überall der Hondtag an,
bei Skat und Waffeln hört man überall
die Melodie von Mann zu Mann:
„Wenn der Karneval in Selbach beginnt,
dann…“

Von fröher

Der Kapellenberg um 1900

Anekdötchen of Platt

Die Serie „Anekdötchen of Platt“ behandelt in loser Abfolge kleine, meist humorvolle, Geschichten aus vergangener Zeit, geschrieben von Selbacher Bürgern in Selbacher Dialekt. Dialekt ist kein Zeichen mangelnder Bildung oder Rückwärtsgewandtheit, sondern er schafft Identität und ist Kulturbestandteil. Wir wollen unsere eigene Sprache nicht verlernen: Geben wir sie an unsere Kinder weiter, sprechen wir sie!

In der folgenden Anekdote geht es um das Ziegenhüten, das oft von den Kindern übernommen wurde. Ein Einblick in den Kinderalltag, der Anfang des letzten Jahrhunderts „schwer, aber doch schön“ war, so das Fazit der Verfasserin – eine Aussage, die man oft von älteren Mitbürgern hört.

von Maria Dietershagen (Piertersch Maria), um 1980

„De Brenn“, der alte Flurname deutet auf die ehemalige Nutzung des Platzes hin: Vielleicht war hier einmal ein Meilerplatz zur Holzkohleproduktion (Foto: Hicking, 2017)

Wat woar dat fröher su schüen en Serlbisch! Die Joungen trofen sich ouf der Brenn, un die Märerchen soungen schüene Lerer von da Kirsche en et Dorf ren.

Awer nu denkt jo net, mer hätten jeden Owend bi der Kirsche jesongen, dafüer hatten mier ken Zeijt. Von Koend ahn musste mer helfen em Hous on om Feld.
En paar Köh hatten mehr un een Zeeh. Mit der Zeeh hamer moal en Dengen erlaeeft:

Wie ous Lisbeth un esch ous der Schurl komen, sah ous Vadder: „Ihr mousst met der Zeeh nom Schlädchen.“ Ous feel et Hetz en de Schoh. Mier dähn ous en Schnie Bruet en de Daesche on dann ging et loss. Die Zeeh leef wie en Döpschen. Awer om Hehmwäh, do wor die Sache anerscht. Dat Zeejendier woul doch net mie do danne. Eener zooch, der anner daute. Wenn se garnet mie wull, krechse en Brocken Bruet oder en Tracht Schlää.
Su komen mir dann möt Ach und Krach bis en de Langenhardt – awer do woar Schluss. Dat Dier wourf sesch nirrer on stonn net mie off. Mir hann et em Gorem on em Büersen versucht. Die verwande de Ougen, on schnöfte net mie.
Mir hann noch en Duhr jekreschen, du sah ich gen ous Lisbeth: „Komm, mir gohn no hem, die es kabutt.“ Ous Vadder rierde nur am Kopp. Die Joungen mussten moem Wähnchen fort. On wat denkt ihr: Bie Miesen en der Kier kom se aanmarschiert, on Monade späder krijen mer och noch en schürn Zeggelschen.

Wenn die Zeijt och arm woar on schwer, awer sou schüen wie et fröher in Serlbisch woar, wüerd et nimmer nit mie.

Meiner Heimat

Blick ins Selbachtal

Heimatgedicht

von Pater Dr. Bernhard Rötter, um 1900

Selbach mit Blick auf die St. Anna Kirche

Oh Selbach, du mein liebster Ort,
in ländlich schöner Zier,
wenn ich dich seh im Tale dort,
dann lacht das Herz in mir.
Wie schön bist du auch eingefasst
von Wald und Wiesenkranz,
die Berge mit der Früchte Last
sind Gottes Segen ganz.

Fünf Wasserbäche mühen sich,
zu schaffen dir das Brot,
es macht so stark und kräftig dich
und färbt die Wangen rot.
Des Bodens Schätze sind dir noch
bis jetzt wohl unbekannt,
trotzdem gehört ein Gut dir doch,
das Frohsinn wird genannt.

Sein munter Zeichen kann man schon
auf jeder Stirne sehn,
ein lustig Wort schwebt froh davon,
will man ihm Rede stehn.
Doch eines aber macht Dich mir
vor allen Orten wert,
mein Kinderhimmel wölbt sich hier
auf meines Vaters Herd.

Und unter der Geschwister Stern
ein Sonnenglanz so mild,
der leuchtet mir selbst in der Fern
als meiner Eltern Bild.
Des Vaters Licht bestrahlte ja
mir schon die Kinderzeit,
der Mutter Liebe wärmt mich da
selbst aus der Ewigkeit.

In diesem Licht erglänzet schier
das Dorf im Talesgrund,
drum ist auch mein Gedenken hier
und sprech zu jeder Stund:
Oh Selbach, du mein liebster Ort,
in ländlich schöner Zier,
wenn ich dich seh im Tale dort,
dann jauchzt das Herz in mir.